Cristiano Ronaldos Rückkehr zu Manchester UnitedEin Superstar, den das Team nicht braucht
Der spektakuläre Wechsel von Cristiano Ronaldo zu Manchester United wird als romantische Heimkehr verkauft. Die Schwachstellen des Teams behebt der Transfer aber nicht. Ist der Deal trotzdem sinnvoll?
VonHendrik Buchheister, Manchester
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Dass er immer noch geliebt wird im Old Trafford, dessen konnte sich Cristiano Ronaldo am 23. Oktober 2018 vergewissern. Mit Juventus spielte er in der Vorrunde der Champions League bei Manchester United, wo er zwischen 2003 und 2009 zum internationalen Superstar aufgestiegen war. Nach der Partie war das heimische Publikum in Feierstimmung, trotz der 0:1-Niederlage.
Die United-Fans feierten Ronaldo mit Gesängen, und der Verehrte selbst klopfte sich auf dem Weg in die Kabine immer wieder mit der Hand auf die Brust. (Dass kurz zuvor Vergewaltigungsvorwürfe gegen ihn öffentlich geworden waren, die er bestreitet, schien übrigens kein Thema zu sein.)
Jetzt kehrt Ronaldo erneut zurück ins Old Trafford, und diese Rückkehr wird von noch mehr Fanfaren begleitet als das Treffen 2018, denn diesmal kommt er nicht als Gegner, sondern als Teil der United-Gemeinde. Am Ende eines Tages, an dem eigentlich der Wechsel Ronaldos von Juventus zu Manchester City erwartet worden war, verkündete der Stadtrivale United seine Verpflichtung und versah den Transferzirkus um den 36 Jahre alten Angreifer aus Portugal mit einer denkwürdigen Pointe.
Wenig überraschend verkauft United das Geschäft als romantische Geschichte, als Heimkehr des verlorenen Sohnes, der am Ende seiner Weltkarriere für einen letzten Tanz nach Hause kommt.
»Welcome home«, überschrieb der Verein bei Twitter die Meldung zum Transfer. Dabei hatte Ronaldo seine Profilaufbahn nicht in England begonnen, sondern bei Sporting Lissabon. Über solche Details dürfte das United-Umfeld allerdings hinwegsehen. Für viele Fans ist Ronaldo der beste Spieler, den sie je im roten Trikot ihres Klubs bewundern durften. Dass er sich offenbar bewusst gegen den Stadtrivalen City entschied, nachdem ehemalige Kollegen wie Rio Ferdinand und sogar Trainerikone Sir Alex Ferguson interveniert hatten, ist zusätzliches Balsam für die geschundenen Seelen der United-Fans.
United will wieder ernst genommen werden
Seit Fergusons Abschied 2013 mit dem bisher letzten Titelgewinn mussten sie erleben, wie ihr Klub vom neureichen Stadtrivalen abgehängt wurde. Manchester City wurde in dieser Zeit viermal Meister und gilt in jeder Saison aufs Neue als Champions-League-Favorit, während United zwei Vize-Titel und den Gewinn der Europa League 2017 als Erfolg verkaufen musste.
Ronaldos Verpflichtung ist ein Signal, dass der abgestürzte Rekordmeister wieder ernst genommen werden möchte – in der eigenen Stadt, in der Premier League und im gesamten Fußballkosmos. Und sie ist ein geschicktes Manöver der bei vielen Fans verhassten Klubbesitzer, der Glazers aus Florida, um die Wogen im Umfeld des Vereins zu glätten. Nach dem Debakel um die Super-League-Pläne hatte die Basis in Manchester am heftigsten rebelliert. Wegen Fanprotesten musste Anfang Mai sogar die Partie gegen den Erzrivalen FC Liverpool abgesagt werden. Neben dem versuchten Ausbruch in eine Eliteliga warf das Publikum den Glazers vor, den Klub zugunsten eigener Profite sportlich herunterzuwirtschaften.
Schwächen im defensiven Mittelfeld
In diesem Sommer hat Manchester United mit der Verpflichtung von Jadon Sancho von Borussia Dortmund, Raphaël Varane von Real Madrid und jetzt mit dem Ronaldo-Transfer jene Ambitionen auf dem Spielermarkt gezeigt, die der Anhang so lange vermisst hat. Während mit Sancho und Varane gezielt mittel- bis langfristig Schwachstellen im Kader angesprochen wurden, stellt sich die Frage, wie sinnvoll Ronaldos Rückkehr aus sportlicher Sicht ist.
Auf der Mittelstürmerposition herrschte eigentlich keine Not dank Edinson Cavani, Anthony Martial und Mason Greenwood. Und wenn, dann hätte der Verein einen Torjäger in der Blüte seines Schaffens benötigt – zum Beispiel Harry Kane, 28, der nach Manchester Citys vergeblichem Werben bei Tottenham Hotspur bleibt.
Uniteds größte Baustelle ist das defensive Mittelfeld, wo neben dem wechselhaften Paul Pogba ein weiterer Spieler von internationalem Format fehlt. Meister City, Champions-League-Sieger FC Chelsea und mit Abstrichen der FC Liverpool haben immer noch eine besser ausbalancierte erste Elf als United. Unter Trainer Ole Gunnar Solskjær wird ein Umbruch mit jungen, gern britischen Spielern propagiert. Doch die Aussicht auf Ronaldos spektakuläre Rückkehr war offenkundig zu verlockend, um auf Prinzipien zu beharren.
Solskjær steht durch die Ankunft seines einstigen Mitspielers noch mehr unter Druck als ohnehin schon. Nach mehr als zweieinhalb Jahren Amtszeit steht der Nachweis noch aus, dass der Norweger der richtige Mann ist, um Manchester United wieder zu Titeln zu führen.
Zu seiner Verteidigung konnte er bisher stets vorbringen, dass sich der Klub im Umbruch befinde, man auf dem richtigen Weg sei, die Erfolge mit der Zeit schon kommen würden. Nach der Verpflichtung Ronaldos (als Zugabe zu Varane und Sancho) hat er keine Ausreden mehr. Eine weitere Saison ohne Trophäe – und das Wohlwollen des Umfelds gegenüber Solskjær wäre wohl aufgebraucht.
